Im Spotlight: Das Eckpunktepapier zur Abfallende-Verordnung 

Im Laufe des Erarbeitungszeitraums der Ersatzbaustoffverordnung (EBV) wurde häufig diskutiert, ob bzw. wie eine Aussage zum Abfallende von mineralischen Ersatzbaustoffen in der EBV getroffen werden kann. Jedoch wurde das Thema aus der verabschiedeten Fassung gänzlich entfernt. Nun hat das BMUV Ende 2023 das „Eckpunktepapier zur Abfallende-Verordnung für bestimmte mineralische Ersatzbaustoffe“ zur Anhörung herausgegeben. Darin sollen die Rahmenbedingungen für das Erreichen des Abfallendes für mineralische Ersatzbaustoffe rechtssicher geregelt werden. Ob dieses Ziel wirklich durch eine korrekte Erörterung der Thematik und sinnvollen Schlussfolgerung in diesem Papier erreicht wurde, ist fraglich und wird in diesem Artikel diskutiert.

Auf welchen Grundlagen soll die Abfallende-Verordnung aufbauen? 

Die Ziele, die mit der Abfallende-Verordnung verfolgt werden sollen, sind laut Kapitel 1 des Eckpunktepapiers „…Kriterien für mineralische Ersatzbaustoffe (MEB) festzulegen, die aus der Aufbereitung mineralischer Abfälle stammen und bei deren weiterer bestimmungsgemäßer Verwendung die Abfalleigenschaft ausgeschlossen werden kann.“ und mineralische Ersatzbaustoffe „…effektiver im Kreislauf zu führen und die Vermarktung dieser MEB als hochwertige und qualitätsgesicherte Recycling-Produkte zu fördern.“

Zur Auswahl der für das Abfallende in Betracht kommenden Abfallstoffströme wird auf den §5 Abs. 1 des KrWGs zum Erreichen des Abfallendes Bezug genommen und die darin aufgeführten Kriterien 1 bis 4 für mineralische Ersatzbaustoffe geprüft. 

Um diesen Artikel im angemessenen Rahmen zu halten, beschränkt er sich auf die nähere Betrachtung der Ausführungen des Eckpunktepapiers zu Nummer 4 des §5 Abs. 1 KrWG „seine Verwendung insgesamt nicht zu schädlichen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt führt“. Hier werden die Ausführungen des Eckpunktepapiers besonders interessant. 

Was ist das Problem mit Kriterium 4: Auswirkungen auf Mensch und Umwelt? 

Grundlage für die Bewertung der Auswirkung auf Mensch und Umwelt ist die Regelungssystematik aus der EBV, die auf das zweigliedrige System aus Materialklasse und Einbauweise aufbaut. Dabei wird das Ziel verfolgt, einen sicheren Einbau ohne nachteilige Veränderungen von Boden und Grundwasser zu garantieren. Hierfür wurden langjährige Forschungen mit dem maßgeblichen Ziel durchgeführt, schädliche Veränderungen von Boden und Grundwasser sicher ausschließen zu können. Die Ergebnisse dieser Forschung und ein langjähriger Diskurs der Fachgremien, die an der Entwicklung der EBV beteiligt waren, begründeten die Materialwerte der EBV, die den jeweiligen Einbauweisen eindeutig zugeordnet werden.  

Diese Systematik gilt für alle 35 möglichen Materialklassen in der EBV gleichermaßen. 

Nun sollen in der Abfallende-Verordnung laut Eckpunktepapier nur die „besten“ Materialklassen für die Stoffströme Boden, Gleisschotter, RC-Baustoffe und Ziegelmaterial (BM-0, BM-0*, BM-F0*, GS-0, RC-1, ZM) für eine Abfallende-Regelung in Frage kommen. Obwohl Baggergut die gleichen Schadstoffgrenzwerte wie Boden hat, wird dieser Stoffstrom ohne sinnvolle Begründung ausgenommen. Generell wird die Einschränkung auf die genannten Materialklassen in dem Eckpunktepapier nicht plausibel begründet. Es schwingt in dem ganzen Papier nur die Unsicherheit mit, dass womöglich eine unkalkulierbare Gefahr von den nicht berücksichtigten Materialklassen für Boden und Grundwasser ausgehen könnte. 

Aber genau deswegen wurde dieses Regelungssystem in der EBV verankert: Es dürfen nur Ersatzbaustoffe in geplante technische Bauwerke eingebaut werden, wenn für diese Einbauweise (in Abhängigkeit mit den lokalen Boden- und Grundwassergegebenheiten) passende, güteüberwachte und in die jeweilige Materialklasse eingeteilte Ersatzbaustoffe zur Verfügung stehen. 

Wenn ein Ersatzbaustoff nicht die Materialwerte für eine gewünschte Einbauweise erreicht, darf dieser nicht eingebaut werden und würde bei Missachtung eine Ordnungswidrigkeit darstellen. 

Die Ersatzbaustoffe, die nach der Güteüberwachung der EBV hergestellt und einer Materialklasse zugeordnet werden können, sind in allen technischen Bauwerken, deren Einbauweisen für diese Materialklassen zulässig sind, absolut sicher für Boden und Grundwasser verwendbar.  

Ein Ausschluss von Materialklassen ist daher absolut nicht nachvollziehbar und steht dem Ziel dieser geplanten Abfallende-Verordnung, die Kreislaufwirtschaft zu fördern und Hemmnisse abzubauen, in allen Belangen entgegen. 

Die Bedeutung der EBV und der Abfallende-Verordnung für die Nutzung mineralischer Ersatzbaustoffe

In der EBV wird der größte Stoffstrom geregelt, der im Bauwesen für eine Kreislaufwirtschaft möglich ist. Hier werden alle nicht gefährlichen mineralischen Materialien, sowohl aus dem Rückbau von Gebäuden und Straßen mit ca. 90 Mio. t jährlich, als auch aus dem Aushub von Böden und Steinen mit ca. 130 Mio.t jährlich, geregelt. Das sind ca. 220 Mio.t Rückbaumaterial, das nach der Aufbereitung für eine Vielzahl von Einbauweisen geeignet ist. Dem gegenüber steht ein jährlicher Bedarf an Gesteinskörnungen von derzeit ca. 585 Mio.t jährlich. Diese großen Materialmassen werden vor allem für die Instandsetzung der Infrastruktur, wie die Sanierung von Straßen, Brücken und Tunnel sowie für fast das gesamte Schienennetz der Deutschen Bahn, aber auch für die Herstellung neuer Infrastruktur für die erneuerbaren Energien, die Kabeltrassen, Versorgungswege, Anschlüsse, etc. benötigt. Hierfür müssen große Mengen an Böden und Steinen bewegt werden sowie Gesteinskörnungen für die Sanierung und den Ausbau von maroden Straßen, Schienen und Brücken. Hierfür sind die mineralischen Ersatzbaustoffe, die in der EBV geregelt werden, hervorragend geeignet. 

Wir sehen uns derzeit einer Situation gegenüber, in der Ersatzbaustoffe für beispielsweise den öffentlichen Straßenbau explizit ausgeschlossen werden, da eben noch keine Rechtssicherheit für den Einbau von „Abfall“ besteht und dementsprechend lieber das Primärmaterial verwendet wird. 

Genauso verhält es sich in der Privatwirtschaft, wenn beispielsweise Gesteinskörnungen für die Gründung von Baumaßnahmen benötigt werden, aber die rechtlichen Konsequenzen beim Einbau von „Abfall“ nicht klar sind. Dann wird auch hier das Primärmaterial ausgeschrieben. 

Dabei könnte die gesamte Masse an nach EBV geprüften, güteüberwachten und in Materialklassen eingeordneten Ersatzbaustoffen der Kreislaufwirtschaft zur Verfügung stehen. Wenn nun nur die sechs „besten“ Materialklassen das Abfallende erreichen können, werden alle anderen Materialklassen wahrscheinlich keine Verwendung finden, sondern den ohnehin schon knappen Deponieraum zusätzlich belasten und gleichzeitig den hohen Bedarf an Primärmaterial noch vergrößern. 

Der folglich einfachste und schnellste Schritt: Integration des Abfallendes in die EBV  

Der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft ist bereits europäisches Gesetz und in der Europäischen Taxonomie Verordnung im vierten der sechs ausgewiesenen Umweltziele (Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft) rechtsbindend verankert.  

Die schnellste Möglichkeit, das Abfallende für die jährlich anfallenden ca. 220 Mio.t Aushub (Boden und Steine) sowie Rückbaumaterialien aus Hoch-, Tief- und Straßenbau für die jetzt anstehenden Bauaufgaben rechtssicher zu erreichen, wäre in der Ersatzbaustoffverordnung selbst.  

Eine Evaluierung steht ohnehin an, um Anpassungen, die sich im Vollzug als notwendig herausgestellt haben, vorzunehmen. Das Abfallende für die in der EBV geregelten Ersatzbaustoffe in der Verordnung selbst zu erklären, würde das logische Ergebnis des in der EBV ausführlich geregelten Systems sein: 

  • engmaschiger Güteüberwachung während der Aufbereitung,  
  • detaillierter Materialwertbestimmung,  
  • Klassifizierung der Materialien und  
  • eindeutiger Zuordnung der möglichen Einbauweisen für die einzelnen Materialklassen, in Abhängigkeit der örtlichen Boden- und Grundwassergegebenheiten 

Ein hilfreicher Vergleich: EBV vs. StVO

Wenn wir die Ersatzbaustoffverordnung mit der Straßenverkehrsordnung vergleichen würden, dann wäre das zweigliedrige System aus Materialklasse und Einbauweise das Ampelsystem. Bei Rot geht es nicht weiter, nur bei Grün darf man in den Kreislauf. 

Das Ampelsystem gilt für alle Verkehrsteilnehmer, für Radfahrer genauso, wie für Gefahrguttransporter. Wer bei Rot über die Ampel fährt, begeht eine Ordnungswidrigkeit, für die es einen Bußgeldkatalog gibt – auch das gilt für alle Verkehrsteilnehmer. 

Das Eckpunktepapier schlägt nun vor, den größten Teil der Verkehrsteilnehmer direkt von der Straße zu nehmen, weil das Risiko zu groß ist, dass diese über Rot fahren würden. Also erlaubt das Papier nur noch Radfahrern, Rollern und Fußgängern eine Teilnahme am Straßenverkehr, weil hier die Gefahr nicht so groß erscheint, wenn sie über Rot fahren. Dass es aber eine für alle geltende Regelung gibt, an die sich alle Teilnehmer halten müssen und auch wollen, wird in dem Eckpunktepapier nicht beachtet. 

Werden Ersatzbaustoffe nicht mit in die Ausschreibungen für die heute anstehenden Bauaufgaben einbezogen, gehen sie der Kreislaufwirtschaft jetzt verloren und landen auf den Deponien. Das ist kein Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft! 

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Über den Autor

Katrin Mees

Abteilungsleiterin Nachhaltiges Bauen und Umwelt ZDB e.V., Leitung Büro Berlin DA e.V. & Geschäftsführung BGRB e.V.

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